Social Media zählt zum öffentlich-rechtlichen Kernauftrag des ORF
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk hat einen demokratischen Grundauftrag zu erfüllen. Nicht umsonst werden Medien als die 4. Gewalt im Staat bezeichnet. Da wir alle Staat sind, liegt es in unserem gemeinsamen Interesse diese 4. Gewalt so zu gestalten, dass sie unseren Bedürfnissen als Bürger bestmöglich gerecht wird.
Viele dieser Bedürfnisse regeln sich im freien Markt wunderbar von selbst, weshalb die wirtschaftliche und politische (!) Unabhängigkeit des ORF auch nicht ein Ausmaß erreichen darf, das den Mitwerbern das wirtschaftliche Überleben verunmöglicht. Genau genommen sollte der ORF gerade so weit geschützt bzw. gefördert werden, dass er seinen Versorgungsauftrag (§3 ORF-G) und seinen öffentlich-rechtlichen Kernauftrag (§ 4ORF-G) wahrnehmen kann.
Gerade dieser öffentlich-rechtliche Kernauftrag enthält eine Reihe von sehr diskussionswürdigen Punkten, wenn es um die Bereitstellung breiter Kultur-, Religions- und Sportangebote geht oder ganz generell um „die Darbietung von Unterhaltung“, die von Privaten genauso gut oder besser erfüllt werden kann (siehe Bedürfnisse oben). Das sind aber Nebenschauplätze, die nicht von ersten beiden Punkten im ORF-Gesetz ablenken sollten:
Öffentlich-rechtlicher Kernauftrag
§ 4. (1) Der Österreichische Rundfunk hat durch die Gesamtheit seiner gemäß § 3 verbreiteten Programme und Angebote zu sorgen für:
1. die umfassende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen;
2. die Förderung des Verständnisses für alle Fragen des demokratischen Zusammenlebens;
Diese Punkte kann der ORF nur leisten, wenn er seine Angebote auch dort kommunizieren kann, wo wir Bürger bald mehrheitlich anzutreffen sind: in sozialen Netzwerken. Facebook hat mit knapp 3 Millionen Benutzern auch eine Reichweite, die vergleichbar mit den größten Medien des Landes ist. Facebook kennt auch keine Grenzen und speziell für österreichische Medien zählen zum Mitbewerb längst deutsch(sprachig)e Medien, die keinen derartigen Einschränkungen unterworfen sind.
Wie hoch ist die „Zahl der EBU-Mitglieder (European Broadcasting Union) denen Social Media verboten ist?“, fragt Dieter Bornemann bei einer Podiumsdiskussion im Juridicum (am 31. 1. 2013). Die Antwort kennen wir: 1
Die Argumente der Verhinderer, die sich an einen einen Halbsatz im Gesetz klammern, gehen an der Realität Lichtjahre vorbei. Dieter Bornemann meint zurecht, “In 10 Jahren wird uns diese Debatte völlig lächerlich vorkommen.“
Die Interessen der ORF-Kunden bleiben unberücksichtigt
Dass dieses Verbot darüberhinaus den ORF in seiner Entwicklung als modernes Medium behindert und im internationalen Wettbewerb unnötig schwächt, sollte gerade den Verfechtern des freien Marktes (zu denen ich mich selbst auch zähle) klar sein, gerade weil die öffentliche Debatte ausschließlich den wettbewerbsrechtlichen Aspekt des Social Media Verbots beleuchtet. Dass hier auch die Kunden des ORF, also die Gebührenzahler in ihren Rechten eingeschränkt sein könnten, wird völlig ausgeblendet. Als ob es hier keine Bevölkerung gäbe, derentwegen der ORF überhaupt einen öffentlich-rechtlichen Auftrag hat.
Der ORF ist unser Medium. Als Gebührenzahler und GIS-Kunde will ich einen ORF, der im europaweiten Wettbewerb mithalten und seinen demokratischen Kernauftrag bestmöglich erfüllen kann. Das ist mE nur möglich, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk Entwicklungen der Medienkonvergenz Rechnung trägt und sich den Rahmenbedingungen partizipativer Kommunikationsstrukturen sozialer Netzwerke anpassen kann.
Um meinen Teil beizutragen den Weg zu einem modernen ORF zu ebnen, habe ich beim VfGH im Dezember 2012 einen Individualantrag zur Streichung der einschränkenden Passagen im ORF-Gesetz eingebracht, der hier downgeloadet werden kann.
Ein Kommentar von Rechtsanwalt Wolfgang Renzl und mir ist auf thegap.at zu finden: ORF darf Social Media nur schwarz-weiss machen
Wir freuen uns, dass dieses Anliegen von Vertretern mehrerer Parteien inhaltlich unterstützt wird:
Dieter Brosz (Die Grünen)
Matthias Strolz (NEOS)
Beate Meinl-Reisinger (NEOS)
Claudia Gamon (JuLis)
Nikolaus Scherak (JuLis)
Lukas Daniel Klausner (Piraten)