Warum ich dem neuen Islamgesetz nicht zustimme
Heute wurde im Parlament mit den Stimmen der Regierungsparteien das neue Islamgesetz beschlossen. Die Opposition stimmte geschlossen dagegen – allerdings mit völlig verschiedenen Begründungen. FPÖ und Team Stronach ist das Gesetz nicht streng genug. Für NEOS und Grüne widerspricht das Gesetz grosso modo – neben etlichen Details – v. a. dem Gleichheitsgrundsatz.
Ich habe mich ja schon in einigen Artikeln mit dem Entwurf zum neuen Islamgesetz beschäftigt:
- Ein Antwortgesetz für Muslime (18.12.2014)
- Islamgesetz neu: Das zweischneidige Schwert des Propheten (12.10.2014)
- Der Entwurf zum Islamgesetz (19.9.2014)
Abschließend zur heutigen Debatte erschien auch dieser Text fast wortgleich als Gastkommentar im Standard, der im wesentlichen auch meine heutige Rede wiedergibt:
Das Islamgesetz festigt die Ungleichbehandlung von Religionen und Weltanschauungen
Das neue Islamgesetz wirft auch die Frage nach der Gleichbehandlung von Religionsgemeinschaften auf. Sind abgestufte Rechte noch zeitgemäß? Oder ist hier nicht vielmehr eine umfassende Neutralität des Staates gegenüber Religion und Weltanschauung anzustreben?
Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten das Verhältnis von Staat zu Religion auszugestalten. Der Staat kann religiösen und nicht-religiösen Weltanschauungen neutral oder nicht-neutral gegenüberstehen.
Aus einer neutralen Position erkennt der Staat Religion (und Weltanschauung) als Privatsache. Religion wird als ein persönliches Merkmal, wie etwa Haarfarbe oder Augenfarbe, betrachtet, das nicht dazu geeignet ist, Menschen zu kategorisieren. Der Staat steht dem persönlichen Glauben oder der persönlichen Überzeugung indifferent gegenüber und enthält sich sowohl der Diskriminierung als auch der Privilegierung. Beides ist ihm ja nicht einmal möglich. Das entspricht dem Prinzip der Laizität.
Laizität hindert Gläubige natürlich nicht daran, sich zu organisieren und ihre Religion im allgemeingültigen Rechtsrahmen auszuüben. Laizität ist der Garant für echte Religionsfreiheit – ohne Sonderrechte, ohne Einschränkung von Rechten.
Österreich entscheidet sich mit jedem neuen Gesetz erneut gegen diesen Weg. Österreich versucht, religiöse Neutralität auf einem anderen Weg herzustellen, nämlich indem für jede anerkannte Religion ein eigenes Gesetz erlassen wird, mit Ausnahme jener, die durch einen völkerrechtlichen Vertrag (Konkordat) privilegiert ist. Damit nimmt der Staat zunächst eine Unterscheidung in religiöse, anerkennungsfähige und nicht religiöse Weltanschauungen vor. Es wird also angenommen, hier läge Ungleiches vor, das dann eben auch in heutiger Praxis tatsächlich ungleich behandelt wird.
Ungleiches: Semantischer Trick
Konsequenterweise müssten die anerkannten Religionen gemäß dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz dann zumindest untereinander gleich behandelt werden, natürlich unter Berücksichtigung inhaltlich-religiöser Besonderheiten, die auch jetzt nur einen sehr kleinen Umfang in bestehenden Religionsgesetzen einnehmen. Darunter fällt aber bestimmt nicht die Finanzierung, die Aufforderung sich an Gesetze zu halten, Subventionen etc.
Das ist ein semantischer Trick. Inhaltliche Unterschiede werden als Argument dafür verwendet, technische Kriterien verschieden zu adressieren.
Natürlich unterscheiden sich alle Religionen inhaltlich, sonst wären sie ja identisch. Es ist wie bei Unternehmen. Natürlich sind auch alle Unternehmen verschieden, aber sie werden vor dem GmbH-Gesetz gleich behandelt. Sie werden nicht ungleich behandelt, weil es inhaltliche Abweichungen gibt
Islam: ungleicher als gleich
Genau diese Ungleichbehandlung auf Grund inhaltlicher Unterschiede wurde aber bei der heutigen Beschlussfassung des neuen Islamgesetzes im Nationalrat vollzogen. Die Nachteile sind dramatisch.
Ein Islamgesetz, das in einem Atemzug mit Anti-Terror-Gesetzen als Sicherheitsgesetz ausformuliert wurde – Reinhold Lopatka bezeichnete es als Antwort auf den IS-Terror – ein Islamgesetz, das eine Religion im Inland domestizieren und damit international isolieren soll, widerspricht dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz.
Die behauptete Voraussetzung der Ungleichheit, die eine Ungleichbehandlung nach sich zöge, gibt es schlicht und einfach nicht. Hier wäre tatsächlich Gleiches gleich zu behandeln, mit einem Gesetz, das für alle Religionen und Weltanschauungen gilt.
Es gibt freilich eine noch elegantere Lösung: Laizität.
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