Die Opfer der Kirchen-Privilegien

 
Dieser Beitrag ist als Gastkommentar auf derStandard.at erschienen (3.1.2013)
Die Privilegien der katholischen Kirche und die persönliche Betroffenheit der Opfer sind eng miteinander verbunden.
Der Vorwurf der Instrumentalisierung der Opfer ist einer der unredlichsten Tricks in der Argumentation gegen gesellschaftspolitisches Engagement. Bei näherer Betrachtung löst er sich fast immer fast vollständig auf. In wohlmeinender Interpretation handelt es sich bei derartigen Unterstellungen um eine Verwechslung des Engagements für ein abstraktes Problem und des Engagements für ein konkretes Symptom. Die Konsequenz dieser Verwirrung sind sehr oft Angriffe ad hominem, konkret Profilierungssucht und nachgelagerte Interessen.
Das Refugee Camp bei der Votivkirche dient ja nicht dazu, dass sich ein paar Leute auf Twitter mit Solidaritätszeugnissen profilieren, die Beschneidungsdebatte ist kein Feigenblatt für versteckten antiislamischen Antisemitismus und das Volksbegehren gegen Kirchen-Privilegien instrumentalisiert nicht Opfer kirchlicher Gewalt, um für mehr Laizität einzutreten, wie Markus Rohrhofer in seinem Kommentar (vom 20.12. „Kirchenvolksbegehren: Buntes Atheisten-Allerlei“) behauptet.
Aber wenn nicht das Symptom zum Anlass genommen werden darf, sich für das eigentliche Problem zu engagieren, was dann?
Konkrete und abstrakte Missstände
Die auftretenden Symptome sind in allen Fällen akut adressierbare, konkrete Missstände, denen natürlich sehr oft schwer greifbare abstrakte Fehlentwicklungen zu Grunde liegen. Gerade wenn es um die Kirchen-Privilegien geht, ist eine Vermittlung des Katalogs der eben nicht punktuell auftretenden Sonderrechte schwierig. Notgedrungen wird an dieser Stelle eine Liste rezitiert (Religionsunterricht, Steuerprivilegien, Blasphemieparagraph, etc.), die schnell einmal sehr kleinteilig wird und nur in seltenen Fällen persönliche Betroffenheit auslöst. Greifbarer wird das Problem, wenn es in Geld umgerechnet wird. Mit 3,8 Milliarden Euro pro Jahr (1) subventionieren die Steuerzahler die Einrichtungen der Kirchen (und Religionsgesellschaften). Das sind immerhin rund 500 Euro pro Kopf. Die daran anschließende Diskussion betrifft dann in aller Regel die so genannten Leistungen der Kirche, die damit finanziert werden, wobei es sich hier sehr oft nur um Missionierung in der einen oder anderen Form handelt und die Negativleistungen so gut wie immer ausgeblendet werden.
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Doch es gibt auch Menschen, die tatsächlich und sehr handfest von Mitgliedern dieser Kirche geschädigt und missbraucht werden. Und es ist sehr wohl die Institution, die diese Täter und Opfer kirchlicher Gewalt erzeugt. Und es ist die Republik Österreich, die in dieser Hinsicht nichts unternimmt, ja ganz im Gegenteil den Rechtsstaat dadurch verhöhnt, indem die (in dem Fall katholische) Kirche diese Missbrauchsfälle selbst aufklären und entschädigen darf (Klasnic-Kommission). Auch das ist ein Sonderrecht, noch dazu – wie viele andere Sonderrechte auch – ein informelles und damit als Unrecht noch schwerer auszumachen.
Volksbegehren kein „billiger Populismus“
Der Missbrauch in der katholischen Kirche und seine schlampige Aufarbeitung sind der konkrete Auswuchs eines Problems, das in einer nicht vollzogenen Trennung von Staat und Religion in Österreich wurzelt. Deswegen ist das Volksbegehren eben kein „billiger Populismus“, sondern eine notwendige Maßnahme, die im übrigen auch von den Opfern selbst unterstützt wird, um Bewegung in eine Situation zu bringen, die an der Aufklärung vorbeigeschummelt wurde.
 
(1) Diese Zahlen sind im Buch “Gottes Werk und unser Beitrag” (Czernin) nachvollziehbar belegt.
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