Den ORF in die Verantwortung entlassen

Der ORF soll selbst entscheiden, welche Infrastruktur er zur Erledigung seines öffentlich-rechtlichen Auftrags braucht.
Der ORF soll auch selbst entscheiden, wie er im Rahmen dieses Auftrags inhaltlich programmiert.
Die Kultursprecherinnen der Regierungsparteien, Elisabeth Hakel (SPÖ) und Maria Fekter (ÖVP) forderten in der letzten Woche eine verpflichtende Quote österreichischer Musik in den ORF-Radios. Die Frage, ob ein derartiger Zuruf aus der Politik überhaupt legitim ist, wird nicht gestellt. Mehr österreichische Musik wird als Zielvorgabe unhinterfragt und als vorbehaltlos wünschenswert vorausgesetzt. Mit dem ORF dürfen wir sowieso machen, was wir wollen, denn er gehört ja uns. Oder etwa nicht? Diese Form der Einmischung ist in Österreich so selbstverständlich, dass darüber nicht diskutiert wird. Speziell SPÖ und ÖVP sehen als Regierung den ORF als politischen Erfüllungsgehilfen.
Doch der ORF braucht keine inhaltliche Anweisungen – weder von Regierung noch von Parteipolitik. Ziel sollte es sein, die Gremien des ORF von politischem Einfluss weitgehend zu befreien. Das ist auch das Ziel des ORF-Redakteursrats, das Ziel von NEOS und den Grünen, das Ziel der Arbeitsgruppe des Kanzleramtes zur ORF-Reform und das Ziel nahezu sämtlicher Akteure der Zivilgesellschaft. Nur das Ziel von SPÖ und ÖVP ist es nicht. 
Der ORF, als modernes Medienhaus, muss selbständig und verantwortlich seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllen. Die Diskussion darüber, was demokratiepolitischen und kulturellen Mehrwert ausmacht, muss ein stetiger Aushandlungsprozess sein (regulatorische Selbstregulation). Public Value muss vom ORF selbst vorangetrieben und in Echtzeit im Unternehmen und extern in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft evaluiert werden. Der Rückzug der Politik aus dem ORF bedeutet aber eben auch den Verzicht auf willkürliche, inhaltliche Einmischung. Dazu zählt auch eine Musikquotierung nach Herkunftsland.

Der andere Vorschlag von Elisabeth Hakel, die politisch gewachsene Infrastruktur des ORF in Frage zu stellen (“Wieso braucht ein so kleines Land wie Österreich neun Landesstudios?”), sollte tatsächlich im Ermessensspielraum des Unternehmens liegen. Der ORF weiß selbst am besten, wieviele Landesstudios (und Landeshauptleute) er mit den zur Verfügung stehenden Mitteln versorgen kann. In diesem Zusammenhang soll endlich auch das anachronistische Anhörungsrecht der Landeshauptleute gestrichen werden. Der ORF muss in seiner Ausstattung und auch mit seinem Personal flexibel auf neue Entwicklungen reagieren können. Dazu gehört natürlich auch die Entwicklung von neuen Medienformaten zur Erreichbarkeit der Bevölkerung (Social Media, Mobile Apps). 

Beim ORF gehört in der Tat einiges geändert: Neben der Entpolitisierung der Gremien und der ordentlichen Definition und Prüfung des öffentlich-rechtlichen Auftrags, muss auch die Finanzierung überdacht werden. Ist eine Gebührenfinanzierung ohne Opt-Out noch zeitgemäß? Kann eine Haushaltsabgabe (als neue Steuer) gerechtfertigt gesehen werden? Wieviel darf der ORF durch Werbung und Vermarktung zusätzlich einnehmen und darf er sich davon alles behalten? Doch das ist eine andere Debatte.

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