6 Thesen zum ORF – Ein Vademecum für den Stiftungsrat
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte ORF-Stiftungsräte,
NEOS hat vor wenigen Wochen eine Petition gegen die Erhöhung der Rundfunkgebühr und für eine Erneuerung des ORF gestartet (www.gisabdrehen.at).
Ziel unserer Aktivität ist es, Augenmerk darauf zu legen, was notwendig ist, um einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu erhalten.
Die nochfolgenden Thesen bilden die Grundpfeiler für jede weitere strategische Entscheidung in Österreichs größtem Medienhaus.
Eine Gebührenerhöhung ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht gerechtfertigt.
Langfristig ist das Gebührenmodell nicht mehr haltbar.
Alles Gute für die heutige Sitzung
Niko Alm
Mediensprecher NEOS
Ein Vademecum für den Stiftungsrat
1) Der ORF erfüllt eine wichtige, demokratische Funktion
Aus demokratiepolitischer Sicht sind wir darauf angewiesen, dass Bürgerinnen und Bürger weiterhin mit notwendigen, objektiven Informationen zur Meinungsbildung erreicht werden.
Daher wollen wir einen starken ORF, der sich auf die Produktion und Verbreitung von journalistischen Inhalten mit öffentlich-rechtlichem Mehrwert („Public Value“) konzentriert und auf die Herausforderungen des Medienwandels entsprechend und schnell reagieren kann.
Der ORF muss diese Funktion auch noch 2020+ wahrnehmen können
2) Der ORF läuft dem Medienwandel hinterher
Digitalisierung, Internationalisierung, Medienkonvergenz und Aggregation haben einen radikalen Medienwandel in Gang gesetzt, der unsere Art und Weise Medien zu nutzen völlig verändert. Linear durchprogrammierte Inhalte werden nach und nach, aber unaufhaltbar durch On-Demand und mobil nachgefragte Inhalte abgelöst. Die Quellen haben sich vervielfacht. Nächste Generationen konsumieren Medieninhalte verstärkt auf anderen Plattformen.
Dieser Medienwandel trifft alle Mediengattungen und etablierten Medienhäuser – auch den ORF, er hat sich aber zu langsam auf den Medienwandel eingestellt und läuft diesen Entwicklungen hinterher.
Der ORF braucht eine wesentliche Überarbeitung. Er muss neugestaltet werden, um für 2020+ fit zu werden.
3) Der ORF setzt ausschließlich auf erkaufte massenwirksame Reichweite
Der Kernauftrag des ORF ist es, Public Value zu produzieren. Durch Zukäufe von massenwirksamen Reichweitenbringern (Sportrechte, US-Serien, Filme, etc.) versucht der ORF das Nachfragedefizit im Bereich Public Value ausgleichen.
Damit überzieht der ORF seinen Auftrag ohne sich dieses Vorgehen bei sinkenden Werbeeinnahmen weiterhin leisten zu können. Gebührenerhöhungen sind kein sinnvoller Ausgleich.
Der ORF soll sich auf seinen eigentlichen Programm-Auftrag konzentrieren
4) Der ORF ist kein Infrastruktur-Anbieter
Der ORF kann kein TV-, Radio- und Onlinevollversorger mehr sein. Die Werkzeuge und die Infrastruktur zur Produktion und Verbreitung von Inhalten für TV und Radio werden längst auch von vielen Privaten genützt.
Medienpolitisch gesehen besteht die Aufgabe des ORF darin, die Bevölkerung mit journalistischen Inhalten von gesellschaftlichem Mehrwert, also Public Value, zu versorgen und dort produktiv zu sein, wo der private Markt versagt.
Um diese Herausforderungen begegnen zu können, muss der ORF in ein „Public-Value-Medienhaus“ umgewandelt werden, dessen Aufgabe primär die Produktion von Inhalt ist.
Der ORF soll in ein Public-Value-Medienhaus gewandelt werden
5) Der ORF soll Innovation bringen und auch kooperieren
Es besteht heute und in Zukunft keine Notwendigkeit, dass der ORF sich nach der Decke streckt, um alle Menschen in Österreich über eigene Kanäle zu erreichen.
Private Medien können Kooperationspartner sein, um Public Value in die Haushalte zu bringen. Das betrifft ebenso die Infrastruktur sozialer Netzwerke (insbesondere Facebook, das von manchen ja auch als Medium gesehen und vom ORF schon als Kanal benützt wird). Auch die Entwicklung von eigenen Trägermedien (online, mobile und social Apps) soll dem ORF offen stehen.
Der ORF soll bestehende Infrastruktur nützen und selbst innovativ sein
6) Die Finanzierungsstruktur des ORF ist nicht zeitgemäß
Die Werbeeinnahmen des ORF sinken. Die Gebühren sind nicht mehr treffsicher (PC-, Laptop- und mobile Streams ohne GIS, TV-Besitz ohne ORF-Konsum mit GIS-Pflicht).
Eine ständige Erhöhung der Gebühren, um Rückgänge in anderen Bereichen auszugleichen ist heute nicht mehr vertretbar. Und in Zukunft erst recht nicht mehr.
Wobei festzuhalten ist, dass das GIS-Volumen in den letzten zehn Jahren ohnehin klar über Inflation gestiegen ist (u. a. durch das Bevölkerungswachstum und den erhöhten Kontrolldruck).
Der ORF sollte sich auf den Kern seiner Leistung besinnen und das Unternehmen für diese Aufgabe strukturell anpassen. Dann steht einer nachhaltigen Finanzierung durch die Allgemeinheit nichts im Weg.
Der ORF soll aus der Medienförderung NEU finanziert werden