Presseförderung neu, Empörung alt, Medienpolitik null
Um über die bald erhöhte Presseförderung neu ein paar Aussagen treffen zu können, darf eine Betrachtung des Status Quo sowie ein paar medienpolitische Eckpunkte nicht fehlen.
Wozu Medienpolitik?
Medienpolitik ist staatliche Intervention in einem Markt, dem nicht zugetraut wird, dass er von sich aus pluralistisch (genug) ist und der die notwendigen Grundlagen für den demokratischen Diskurs nicht (ausreichend) zur Verfügung stellt. Natürlich können diese Annahmen hinterfragt werden, aber nehmen wir sie einfach als richtig und gegeben an. Nur deswegen wird reguliert und gefördert. Sonst bräuchten wir das ja alles nicht.
Medienpolitik in Österreich
In Österreich gibt es viele Formen der Presse- und Inhalteförderung. In Summe sind es wenige zig Millionen, die Presseförderung im engeren Sinn beträgt keine 10 Millionen Euro. Daneben gibt es die sogenannte direkte Presseförderung über Inserate von Ministerien und staatsnahen Betrieben. In Summe 200 Millionen, darunter natürlich auch vertretbare Formen der Außenkommunikation.
Zusätzlich gibt es Medienhäuser, die grosso modo der staatlichen Sphäre zuzurechnen sind – nämlich der ORF und die Wiener Zeitung. Der ORF wird überwiegend aus Programmentgelten, die über das GIS eingehoben werden, finanziert. Das sind pro Jahr 600 Millionen Euro. Tendenz steigend.
Zu beiden Punkten gibt es ausführliche Gedanken:
- in meinem medienpolitischen Papier: Demokratie x Journalismus
- u. a. in diesem Blogpost: Ein Land ohne Medienpolitik
Wie muss eine Medienförderung neu aussehen?
Die traditionellen Geschäftmodelle im Medienbereich funktionieren nicht mehr. Die Gründe dafür lassen sich mit Konvergenz, Aggregation, Digitalisierung, Internationlisierung, Vernetzung, kurz: Medienwandel beschlagworten.
Produktion und Verbreitung sind infolge der Demokratisierung und Digitalisierung der dafür notwendigen Technologien heute nicht mehr förderwürdig. Bleiben also Parameter wie journalistische Qualität, die sich u. a. in Ausbildung und Anstellungsverhältnissen und Einhaltung journalistischer Grundkriterien, sowie Pluralität im Markt (von links nach rechts, von urban bis regional, von Deutsch bis Slowenisch, usw. usf.) äußert. Wenn etwas förderwürdig ist, dann ist es das. Journalistische Inhalte, Public Value, Pluralismus. So weich, so gut. Aber damit natürlich auch angreifbar, wie die konkrete Umsetzung beweist.
Presseförderung neu
Mit der Presseförderung neu geht Thomas Drozda prinzipiell in die richtige Richtung. Bei der letztjährigen Enquete dazu war die Stoßrichtung aus meiner Sicht die richtige: gefördert werden sollten v. a. Inhalte gemäß Kriterien, die Qualität und Pluralismus sicher stellen.
Die Herausforderung liegt nun im Detail, diese Kriterien so auszugestalten, dass sie hier unerwünschte Effekte der Vergangenheit ausbleiben, wie eine Teil-Alimentierung des Boulevards und eine Umschichtung der direkten Presseförderung durch Inserate in die Presseförderung neu.
Doch scheinbar passiert genau das: Gratismedien, die weitgehend die journalistische Qualität nicht im weithin akzeptierten Sinn liefern, sollen substanzielle Größenordnungen erhalten, während kleine Medienhäuser, die mit wöchentlichen oder monatlichen Publikationen klar zum Pluralismus, zur Ausbildung und zur Qualität beitragen, vermutlich (wieder) leer ausgehen.
Das Problem dabei ist nicht, dass tageszeitungsähnliche Medien wie “heute” oder “Österreich” dem Boulevard zuzurechnen sind oder gratis erscheinen, sondern das kaum ein Kriterienkatalog vorstellbar ist, der hier eine Förderwürdigkeit erkennen lässt. Wo bleiben Ausbildung, Einhaltung einen journalistischen Grundkatalogs, Beitrag zum Pluralismus?
Volker Plass meint: “Grundregel: Wer es sich leisten kann, sein Produkt zu verschenken, der benötigt keine Förderungen!”
(Ich will den von mir hochgeschätzten Lieblingsgrünen Volker nicht vorführen. Ganz im Gegenteil: ich will sein Argument präzisieren.)
Das klingt aufs erste Hinhören bestechend logisch, kann aber so nicht aufrecht erhalten werden, denn es gibt ein paar gute Gegenbeispiele von gratis verbreiteten Inhalten, die durchaus förderwürdig sind.
Nehmen wir z. B. den ORF, der via Computer und Stream bzw. orf.at seine Inhalte gebührenfrei anbietet. Ist damit seine Förderwürdigkeit dahin? Mit Sicherheit nicht. Sogar unser (NEOS) gebührenkritischer Ansatz sieht ja eine Finanzierung genau dieser Inhalte aus einer Medienförderung neu vor.
Auch die Digitalangebote namhafter Tageszeitungen wie derStandard.at oder DiePresse.com sind kostenfrei zu konsumieren.
Auch sehr viele Magazine entscheiden sich für einen echten oder de facto Gratisvertrieb, weil nur so die Auflage auch verbreitet werden kann, die für die Werbekunden interessant ist.
Diese Medien erfüllen in pluralistischer oder qualitativer Hinsicht sicher auch Kriterien einer Medienförderung neu. Und es ist so gesehen richtig, dass auch medienagnostisch, also über alle Kanäle und inklusive Medien im Gratisverbreitungsmodell, gefördert wird.
Der ORF bleibt unerwähnt
Als Kritikpunkt schwerer wiegt jedenfalls, dass der ORF in der Presseförderung neu ausgespart bleibt. Wir sprechen hier von einer Verdopplung auf ca. 17 Millionen Euro, während weiterhin Inserate in zehnfacher Höhe verteilt werden und über de facto Steuern, die mit Schein-Treffsicherheit als Gebühren getarnt werden, 600 Millionen Euro dem ORF zufließen.
Mit dem Geld wäre tatsächlich mehr Qualität und Pluralismus im Markt möglich. Ein Gedankenexperiment dazu habe hier beschrieben: Zehn Millionen für jedes Medienhaus
Ohne den ORF mit einzubeziehen bleibt die ökonomische und politische Marktverzerrung im österreichischen Medienmarkt jedenfalls bestehen.
Die Sache mit dem Pluralismus
Neben der Empörung über die weitere Alimentierung der Gratismedien gehen die Wellen auch hoch, weil natürlich auch Medien um Förderungen ansuchen dürfen, die bei manchen aus ideologischen Gründen aus der Förderwürdigkeit ausgenommen sein sollten.
Das ist verständlich, aber auch problematisch was die Argumentation betrifft. Denn die Ablehnung politisch entgegengesetzter Meinung ist kein Argument, jemanden die Förderwürdigkeit abzusprechen. Im Gegenteil: es ist Ausdruck politischen Pluralismus das ganze Spektrum zu fördern. Aber eben nicht in den extremen Rand. Dieses Spektrum ist scharf abzugrenzen von einem Journalismus, der aus ganz anderen Gründen die Qualitätskriterien nicht erfüllt oder sogar als Meinung mit dem Strafrecht kokettiert.
In diesem Sinne kann natürlich trotzdem jedes Medium, um Förderungen ansuchen, wird aber konsequenterweise nie Geld aus der Presseförderung neu bekommen. Hier aber schon die Antragstellung unterbinden zu wollen, wie es manche vorschlagen, indem Medien im Vorhinein de facto auf eine Black List gesetzt werden, muss entschieden abgelehnt werden.
Fazit
Die Presseförderung neu basiert auf den richtigen Grundannahmen, sie ist aber in der Umsetzung mangelhaft, weil sie
- insgesamt zu gering ist (17 Millionen vs. 200 Millionen vs. 600 Millionen)
- den ORF und die direkte Presseförderung durch Inserate nicht berücksichtigt und damit keinen Beitrag zur Behebung der ökonomischen Marktverzerrung liefert (17/200/600)
- aus denselben Gründen auch keinen Beitrag zur Behebung der politischen Marktverzerrung liefert (siehe ORF, aber auch Inserate)
- offensichtlich einem Kriterienkatalog folgt, der nicht dazu führt Public Value zu fördern
- Negativkriterien vergessen wurden. Denn es reicht nicht Positivkriterien (Anstellungsverhältnisse, Public Value, etc.) zu erfüllen, wenn demgegenüber schlecht recherchierter, faktenarmer, Meinungsjournalismus gegenübersteht, der Verhetzung augenzwinkernd in Kauf nimmt.
Medienpolitik, die sich nur so einem kleinen Ausschnitt der Realität widmet, ist keine.