Festplattenabgabe: Ein nachhaltiger Schaden für Urheber

Dieser Text ist am 7. Juli 2015 als Kommentar der Anderen im Standard erschienen.
Festplattenabgabe Standard

Ein nachhaltiger Schaden für Urheber

Die Festplattenabgabe ist eine verdeckte Steuer, die mit bestechender Genauigkeit auch Unschuldige trifft. Das vorgebliche Problem wird nicht gelöst, der schleichende Tod der Privatkopie gar nicht diskutiert
Mit der Novellierung des Urheberrechts soll neben einigen anderen Regelungen die jahrelange Diskussion beendet werden, wie der durch die Privatkopie entstehende Umsatzentgang der Urheber kompensiert werden soll. Der wackelige Kompromiss sieht eine Abgabe auf digitale Speichermedien in atemberaubender Höhe vor. Wir sprechen von 20 Euro und mehr für Festplatten, USB-Sticks, SD-Karten, Handys mit eingebautem Speicher etc. Diese Größenordnung alleine wäre ein Grund, die neue Abgabe in ihrer mängelbehafteten Ausführung abzulehnen, sprächen nicht ganz prinzipielle Gründe, die eigentlich jede weitere Auseinandersetzung erübrigen, noch viel schwergewichtiger dagegen.
Mit der Speichermedienabgabe wird unterstellt, dass das Volumen privat kopierter Werke über die Jahre in etwa gleich bleibt, aber die antiquierte Leerkassettenvergütung zu immer weniger Einnahmen führt. Mit dieser Finte wird der eigentliche Sachverhalt schlicht und einfach vertuscht: Die Privatkopie geht stark zurück. Wie kommt das?
Die Privatkopie ist eine Kopie von einer rechtmäßigen Vorlage, die von natürlichen Personen zu privaten Zwecken angefertigt wurde. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Kopie aus zweifelhafter Quelle, oft auch als “Raubkopie” bezeichnet. Als Konsequenz von Digitalisierung und Vernetzung einerseits und geändertem Nutzungsverhalten mit neuen Lizenzmodellen andererseits entstehen heute kaum mehr Privatkopien.
Konkret wird einfach auf Spotify, Netflix, Deezer, TIDAL, YouTube und so weiter gestreamt, während andere digitale Kopien durch Lizenzmodelle oder andere Einschränkungen gar nicht mehr zu Privatkopien führen. Das ist eine wohlbegründete Vermutung, denn es gibt keine Studie, die die Nutzungsintensität der Privatkopie misst. Das Ergebnis dieser Studie wäre wahrscheinlich auch sehr unerfreulich für die Verwertungsgesellschaften, denn wenn die Privatkopie stark rückläufig ist, braucht es auch keine Vergütung mehr.
Die Speichermedienabgabe ist damit eine vertane Chance für die Urheber, sich eine nachhaltig funktionierende Alternative auszuhandeln. Denn es ist ja unbestritten, dass es durch Kopiervorgänge und neue Nutzungsmöglichkeiten zu einem Schaden in Form entgangener Umsätze für die Urheber kommt, der aber eben nicht mehr an der Privatkopie festzumachen ist. Volkswirtschaftlich sprechen wir von einer Größenordnung von circa 20 Millionen Euro. Dafür sollte sich eigentlich eine faire Lösung finden lassen – denkbar ist vieles, wie zum Beispiel eine Einpreisung bei jenen, die eine Vorlage in Verkehr bringen, oder Urheberabsetzbeträge bzw. Reduktion der Umsatzsteuer. Die nun kommende Festplattenabgabe ist alles andere als gerecht.

Treffsicherheit dahin

Die elegante und hohe Treffsicherheit der Leerkassettenvergütung ist längst dahin. Früher waren Leerkassetten de facto die einzigen Trägermedien für privat kopierte Musik. Auf ihnen wurde fast nur Musik gespeichert, und die später darauf analog angefertigten Kopien waren praktisch nur Privatkopien. Mittlerweile gibt es vielfältige Trägermedien, auf denen alles Mögliche gespeichert wird, mit Sicherheit auch viele urheberrechtlich geschützte Werke, aber wohl kaum noch Privatkopien. Und es ist davon auszugehen, dass auf sehr vielen Speichermedien gar keine Privatkopien zu finden sind, wie zum Beispiel SD-Karten für Fotokameras. Trotzdem sind alle Medien künftig mit der Abgabe belegt. Das ist keine verursachergerechte Lösung.
Selbst wenn man diesen Kollateralschaden in Kauf nimmt, weil es ja die Richtigen, die Kopierer, auch trifft, dann wäre so eine Abgabe bestenfalls vertretbar, wenn sie sich im Bagatellbereich abspielt. Aber bei Größenordnungen von 20 Euro pro Speichermedium liegt ein mehrköpfiger Haushalt bei ein paar neu angeschafften Geräten leicht bei mehr als 100 Euro pro Jahr. Das ist viel zu hoch und steht in keinem Verhältnis mehr zu der durchschnittlichen, individuellen Belastung aus der Leerkassettenabgabe. Da nützt es auch nicht viel, wenn die Einnahmen vorerst fünf Jahre mit 29 Millionen Euro pro Jahr gedeckelt sind. Ob diese Deckelung nach Ablauf der Frist hält, ist fraglich.

Perfide Steuererhöhung

Und was passiert, wenn der Deckel erreicht ist? Noch perfider ist die versteckte Umsatzsteuererhöhung, denn die 29 Millionen sind natürlich auch mit 20 Prozent Umsatzsteuer belegt und bringen dem Finanzminister 5,8 Millionen Euro pro Jahr. Da ist es nur würdig und recht, auch von einer “Festplattensteuer” zu sprechen.
Die Speichermedienabgabe ist ein Fehler. Sie löst oberflächlich und kurzfristig das Problem des Einnahmenrückgangs für die Urheber, aber verschleiert damit das schleichende Ende der Privatkopie. Mit der Festplattensteuer wurde eine sinnvolle Neuregelung für die Urheber auf lange Zeit verwirkt, und die Konsumenten werden sich durch die überzogene Abgabe legitimiert fühlen, alles aus jeder noch so fragwürdigen Quelle zu kopieren.
festplattensteuer.at

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