Vom Klimaschutz zum Gedankenwandel

Addendum aber Alm. Newsletter Nr. 38 vom 9. November 2019
(Die Links blieben leider nicht erhalten.)

 

Liebe Leserin, 
lieber Leser,

in zwei Dingen sind sich Skeptiker und Nicht-Skeptiker des Klimawandels grosso modo einig: Für die Tatsache, dass das globale Temperaturmittel seit der Industriellen Revolution gestiegen ist, braucht es keine Beweise mehr. Es wird 1) wärmer und das ist 2) schlecht. Auch jene, die Klimawandel nicht als menschengemachtes Phänomen akzeptieren wollen, sprechen lieber von (vorübergehenden) natürlichen Phänomenen, als ihre Freude über bevorstehende Konsequenzen der Erwärmung zu verstrahlen. 
Ganz pragmatisch könnte man also meinen, dass es politisch vielleicht sogar egal wäre, worin die Ursachen lägen, wenn wenigstens in den potenziellen Auswirkungen der Temperaturzunahme Einigkeit besteht. Schlussendlich geht es ja darum, den außenliegenden Bereich der Erde zu erhalten, in dem sich’s leben lässt. Wer jetzt nicht davon überzeugt ist, dass sich die Klimaerwärmung von selbst umkehrt, muss also etwas dafür tun. Hier könnte Konsens erzielt werden.

Trotzdem verläuft die öffentliche Debatte weiterhin über die Deutungshoheit der Ursachenanalyse und nicht an der Umsetzbarkeit konkreter Pläne zur Behebung des bevorstehenden Schadens. Die Energie der Klimaschützer und Klimawandelskeptiker verpufft wirkungslos an der Diskussion, wer jetzt recht hat, und nicht wer die besseren Lösungen hat, während die schweigende Mehrheit (vielleicht auch mit schlechtem Gewissen) weiter auf die Malediven (oder Lignano) fliegt, solange es noch ohne Sauerstoffflasche möglich ist.
Dieses Sendungsbewusstsein ist ein bekannter Fehler der engagierten Problemerkenner, der aus vielen politaktivistischen Bereichen nur allzu bekannt ist: (Manche) Laizisten streiten lieber darüber, ob es Gott gibt, anstatt Lösungen für die Trennung von Republik und Religion auf den Tisch zu legen. (Manche) Feministinnen klären die Welt lieber über die Verderbtheit des Patriarchats auf, anstatt eine egalitäre Vision zu vermitteln. Linke Politik erklärt uns, dass die FPÖ Liederbücher verwendet, die Martin Luther selbst hätte texten können, und versäumt es zu erzählen, was sie selbst zu einer besseren Gesellschaft beitragen. Usw. usf.

Problemanalyse und -benennung sind naturgemäß der Ausgangspunkt der angestrebten, notwendigen Veränderung. Allzu oft bleibt der Aktivismus geistig aber dort stehen und leitet aus der Stichhaltigkeit der Analyse auch einen Freifahrtschein für Lösungskompetenz. Verinfacht: Fridays for Future weiß vielleicht was falsch läuft und weist erfolgreich darauf hin, das bedeutet aber noch lange nicht, dass die Bewegung auch die (einzig) richtigen Lösungen parat hat.

Ein symptomatisches Beispiel konnten die Zuhörer der öffentlichen Wiener Vorlesung„Ökonomie und Klima – Der Weg aus der Klimakrise“ auf der WU Wien mit anschließender Diskussion erleben. Nach einem Einstiegsreferat von Volkswirtin Sigrid Stagl erörterten Fridays-for-Future-Frontman Johannes Stangl und Unternehmer Martin Rohla das Thema weiter. Es verlief nach bekanntem Schema: das Publikum wurde davon unterrichtet, dass der Klimawandel existiert und uns alle vielleicht später töten wird, wenn wir nicht sofort handeln. Gekauft. Nicht diskutiert wurden konkrete Lösungen und wie es gelingen kann, breite Mehrheiten von diesen Lösungen zu überzeugen. Der generelle Ansatz in der Debatte erschöpft sich in aller Regel darin, dass die Vermittlung des Problems ja reichen müsse, dass jeder danach (freiwillig?) richtig handelt. Doch über den Punkt ist das informierte Publikum weit hinaus. 
Die Debatte sollte längst einen Status erreicht haben, an dem über die politische und technische Machbarkeit von Maßnahmen diskutiert wird. Alleine es passiert nicht. 
Für die Volkswirtin müsste eine Lösung aus vielen von ihr aber nicht näher ausgeführten Teil-Lösungen bestehen. Es gibt keine „Silver Bullet“. Das ist leider nicht viel weiter als Problemanalyse.
Seidank saß auch Martin Rohla am Podium, der behutsam auf den Zauber der Empörung hinwies und mit Hinweis auf Hans Rosling davor warnte, zu hysterisch zu werden, weil das durchaus kontraproduktiv sein könnte, Menschen gleich einmal alles verbieten zu wollen, wenn die Selbstbeschränkung nicht von selbst in sie einfährt.
Fridays for Future beeindruckt so ein Appel naturgemäß wenig. Stangl sieht in einem „Gedankenwandel“ und einer „grundlegenden Neuordnung“ von Gesellschaft und Wirtschaft die Lösung. Dass dazu Verbote von Reisen, Werbung usw. – selbstredend unter Umgehung der aktuellen demokratischen und parlamentarischen Mehrheitsfindung – angewendet werden sollen, wiederholt Stangl bei jedem öffentlichen Auftritt. Er nennt es kryptisch „partizipatorische Demokratie“ – jenseits von aktivem und passivem Wahlrecht. Kollektives Recht solle individuellen Rechten vorgehen. Nun ja. Das klingt irgendwie gar nicht mehr nach Demokratie.

Alles Gute (speziell auch an Fridays-for-Future, dass es ihnen nicht so ergeht wie der Gemeinwohlbank)

Niko Alm

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