Eine große Mehrheit – mich eingeschlossen – wünscht sich einen dopingfreien Sport, aber der Weg über das Strafgesetzbuch ist der Falsche.
Olympia wäre ohne Doping undenkbar. Und damit sind zwei Dinge gemeint. Die Ergebnisse wären ohne Doping oft andere und es gibt keine Olympischen Spiele ohne Doping-Fall. Diesmal hat es u. a. einen gewissen Johannes Dürr (Langlauf) erwischt, der damit das Thema wieder in die österreichische Öffentlichkeit und Politik gebracht hat. Dafür ist ihm eigentlich Dank auszusprechen, sonst würden wir jetzt vielleicht so tun, als gäbe es Doping gar nicht. Johannes Dürr tut mir leid. Ich vermute, dass er nur Pech hatte zu der Handvoll zu gehören, die erwischt wurden. Aber das ist eine Behauptung, die ich natürlich nicht beweisen kann.
Doch Indizien und Anekdoten verdichten sich zu einem Bild, das die breite Anwendung wahrscheinlicher wirken lassen als bedauerliche Einzelfälle. Dass Doping weit verbreitete Praxis in vielen Sportarten (z. B. Schwimmen, Radfahren, Langlaufen) ist, ist eher ein offenes Geheimnis. Jeder von uns kennt wohl auch jemanden, der in Jugendjahren oder auch später am Beginn einer möglichen Karriere als Sportler und damit vor der Wahl stand, sich entscheiden zu müssen: Dopen oder als Hobbysportler weitermachen?
Warum Doping Privatsache ist
Offensichtlich lassen sich mit Doping bessere Leistungen erzielen. Wenn wir davon ausgehen, dass sowohl Sportler, Verbände und Zuseher faire Wettkämpfe wollen, dann wären grundsätzlich zwei Haltungen in Bezug auf Doping möglich: Es ist allen verboten oder es ist allen erlaubt.
Ohne das Argument der Gesundheitsschädlichkeit gäbe es keinen vernünftigen Grund diese weit verbreitete Praxis nicht zu „legalisieren“. Und damit sind wir schon beim Kern des Problems. Es wird so getan, als wäre die Freigabe oder Kriminalisierung von Doping Aufgabe des Staates.
Das ist sie nicht.
Sport ist Privatsache. Sportliche Wettkämpfe werden von privaten Vereinen, Verbänden und Dachverbänden organisiert (siehe dazu bso.at), die für ihre Wettkämpfe ein Reglement festlegen, dem sich die Sportler unterwerfen müssen. Das ist ein privatrechtlicher Vertrag.
Wenn sich ein Sportler nicht an die Regeln hält, dann ist dieser Sportler zunächst einmal vertragsbrüchig. Die Sportvereine und -verbände haben jedes Recht ihr Vertragsverhältnis mit den Sportlern zu terminieren und dem Sportler eine Vertragsstrafe zu überbinden.
Das alles können wir festhalten ohne uns mit der Frage zu beschäftigen, ob Doping gesundheitsschädlich und die Vorbildwirkung ein Problem ist. Beides steht für mich persönlich außer Frage, aber selbst im Falle der Gesundheitsschädlichkeit (von der ich auch überzeugt bin) lässt sich per se keine Notwendigkeit für die Sportverbände ableiten, Doping zu verbieten – und schon gar nicht für den Staat daraus einen Straftatbestand zu machen. Bei einer Freigabe von Doping durch die Sportverbände wird niemand gezwungen zu dopen. Ja selbst eine Vorschrift zu dopen wäre ein möglicher Vertragsbestandteil zwischen Verein (bzw. Verband) und Sportler und keine Sache, die den Staat etwas anzugehen hat.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Das ist kein Plädoyer für die Freigabe von Doping, sondern ein Durchspielen theoretischer Möglichkeiten.
Gehen wir davon aus, dass Doping aber tatsächlich ein Problem ist, dann lässt es sich jedenfalls nicht mit Behauptungen aus der Welt schaffen. Die NADA (Nationale Anti-Doping Agentur Austria) spricht von einem “Grundrecht der Sportler auf dopingfreien Sport“ (siehe NADA). Das gibt es jedenfalls nicht.
Doping: Problemfelder
Soweit ich das erkenne, gibt es beim Doping drei wesentliche Problemfelder:
1) Gesundheit der Sportler und Jugendschutz
Was ein erwachsener Mensch seinem Körper zuführt, kann niemals strafrechtliche Relevanz haben. Ob ich Schweineschmalz, Alkohol, Omega-3-Fettsäuren, Zigaretten oder Dopingmittel konsumiere, hat niemanden zu interessieren. Bei Kindern und Jugendlichen ist das anders. Eltern sind verpflichtet im Sinn des Kindeswohls zu handeln. Das schließt selbstverständlich ein, dass Kinder keine gesundheitsschädlichen Substanzen zu sich nehmen. Doping von Kindern und Jugendliche wäre – wie Rauchen – rechtswidrig. Erwachsene Sportler sind für ihre Gesundheit selbst verantwortlich.
Dafür braucht es keine spezielle Antidopinggesetzgebung.
2) „Betrug“ (eher Vertragsbruch)
Wenn Sportler dopen, werden sie vertragsbrüchig. In den Vereinbarungen der Verbände mit den Sportlern können Strafen festgelegt werden. Dass es sich um Betrug handelt, ist argumentierbar. Dort ist Doping im StGB derzeit ja auch zu finden: StGB §147
Dafür braucht es keine spezielle Antidopinggesetzgebung.
3) Vorbildwirkung und gesellschaftlicher Schaden
Oft gehörte Behauptungen sind: Wer dopt, schadet der Allgemeinheit, weil dadurch das Gesundheitssystem zusätzlich belastet wird. Vergleichbar damit sind die Gurtenpflicht, Helmpflicht etc. Und wenn die Spitzensportler dopen, dann sind sie v. a. den Jugendlichen und Hobbysportlern ein schlechtes Vorbild, womit der Schaden durch die Nachahmer auch noch vergrößert wird.
Diese Logik wäre wohl auf viele Lebensbereiche auszudehnen: Alkohol, Zigaretten, fettes Essen, usw. Außerdem wäre dann konsequenterweise jegliche Verwendung von Dopingmitteln in jeder Situation zu verbieten: für Spitzensportler, Hobbysportler und auch Nicht-Sportler.
Dass Dopenden medizinische Hilfe verweigert wird, wäre analog zu obigen Beispielen indiskutabel, aber natürlich können beispielsweise Versicherungen ihre Bedingungen und Leistungen so gestalten, dass Doping den Versicherungsschutz aufhebt.
Auch dafür braucht es keine spezielle Antidopinggesetzgebung.
Fazit: Doping lässt sich eigentlich nicht ins Strafgesetz argumentieren. Es braucht keine neuen Gesetze, wenn es schon ausreichend Gesetze und Lösungsmöglichkeiten ohne Gesetze gibt, die alle denkbaren Fälle abdecken.
Warum macht sich der Staat also zum Erfüllungsgehilfen privater Sportverbände?
Die Antwort ist so offensichtlich wie naheliegend. Der Sport ist eine Zierde für politische Repräsentanten. Die Anti-Doping-Aktivitäten fokussieren dementsprechend auch nur auf den Spitzensport, weil alles andere für Politiker irrelevant ist. Die politische Sorge um Hobby-Doping ist enden wollend.
Die Spitzensportler werden wie Soldaten behandelt, und (mitunter von UHBP persönlich) in den Kampf geschickt, damit sie möglichst viele Medaillen heimbringen. Daran misst auch BM Gerald Klug die Effizienz der Sportförderung, wie er im Sportausschuss am 19. Februar im Parlament auch unmissverständlich klargestellt hat. In Bezug auf die bevorstehenden Olympischen Spiele in Brasilien fügte er hinzu: „In Rio wird’s am Geld nicht scheitern.“
Im Hintergrund werden politisch die Rahmenbedingungen für den sportlichen Erfolg gestellt, damit der Glanz des Edelmetalls sich auch im Gesicht von Kanzler, Landeshauptleuten und Ministern spiegle.
Die Funktionäre der Verbände und Politiker arrangieren sich, während die Sportler selbst wie Haustiere betrachtet werden und sich nach Möglichkeit nicht politisch äußern sollen. Die Verantwortung für dopingfreie Wettkämpfe liegt aber trotzdem bei ihnen. Kriminalisiert werden im Dopingfall ja auch die Sportler, nicht die Vereine, Verbände und Dachverbände.
Läge es der Politik tatsächlich daran, Doping aus dem Spitzensport zu verbannen, wäre das über das Förderwesen wesentlich leichter zu regeln, als über das Strafgesetzbuch.
Die Sportverbände wären dann dazu angehalten ihre Verantwortungsbereiche dopingfrei zu halten, um in den Genuss von Förderungen zu kommen. Die Verantwortung an den Staat zu übertragen und den Druck des StGB dafür zu bemühen, dass die Verbände nicht in der Lage sind dopingfreie Wettkämpf zu gewährleisten, ist der Allgemeinheit, die dafür ja auch die Kosten tragen muss, nicht zuzumuten. Zu beurteilen, ob im Sport gedopt werden darf oder nicht, ist nicht Aufgabe des Staates.
Das Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“ passt selten so gut als Vergleich wie auf den heuchlerischen Doppelpass aus Sportförderung und Anti-Dopinggesetze.
Die Politik mischt sich – wie so oft – viel zu sehr in einen Lebensbereich ein, wo Einmischung nicht notwendig ist. Bei aller aktiven und passiven Begeisterung für den Sport, die ich persönlich sehr gut nachvollziehen kann, wäre die Politik gut beraten auf Distanz zu gehen.
Überdenken wir das Förderwesen und nehmen wir die Verbände in die Pflicht.
Lassen wir den Sport Privatsache sein.