GmbH zero – Reden wir übers Stammkapital

Die GmbH hat in Österreich als Rechtsform den 100. Geburtstag schon hinter sich. In dieser Zeit hat sich die Rolle des Stammkapitals in seiner Wichtigkeit eindeutig verändert. Im europäischen Durchschnitt liegt das Stammkapital vergleichbarer Rechtsformen bei ca. 8.000 Euro. [format.at (23.3.2013)]
Das alleine wäre natürlich kein Grund, in Österreich etwas zu ändern, doch mit einem Verweis auf diesen Umstand wurde das erforderliche Mindeststammkapital per 1. Juli 2013 auf 10.000 Euro herabsetzt.
Selbstverständlich war bekannt, dass dadurch weniger Einnahmen bei der Mindest-KSt. (Mindestkörperschaftsteuer) zu erwarten sind (Einwand 1). Und selbstverständlich war damit den GmbH-Gesellschaftern die Möglichkeit gegeben, durch Kapitalherabsetzungen ihr bereits versteuertes Geld, ohne dabei weitere Steuern zu entrichten, wieder herausnehmen (Einwand 2). Die Einzahlung des Kapitals ist ein (einkommen)steuerneutraler Vorgang, demnach muss auch die Rückzahlung von Kapital steuerneutral sein. Ob diese Entnahmen andernfalls durch Ausschüttungen einer KESt. unterworfen gewesen wären, ist spekulativ. [Matthias Köchl hat dazu einen anschaulichen Blog-Post verfasst.]

Der aktuelle Plan der Regierung, die letztjährige Novellierung teilweise rückgängig zu machen, bringt nichts außer Rechtsunsicherheit.[Deloitte. Tax News (17.1.2014)] Ungeachtet dessen, ob man die obigen Einwände als Mängel sieht oder nicht, gibt es viele neu gegründete, sogenannte „GmbH light“, die nun vor dem Erfordernis stehen, mehr Stammkapital zu bilden. Außerdem sollen sie nun eine Änderung des Firmenwortlautes vornehmen, um den Zusatz „gründungsprivilegiert“ anzufügen. Dabei stellt sich die Frage, ob „privilegiert“ hier in der Geschäftswelt nicht diskriminierend wahrgenommen wird.

Diese Vorgangsweise und die bevorstehenden Änderungen sind eigentlich ein Anlass darüber nachzudenken, welches Stammkapital bei Gründung vorhanden sein muss. Hat sich vor der Novellierung irgendjemand darüber Gedanken gemacht oder hat sich die damalige Regierung einfach am europäischen Durchschnitt orientiert?
Sehr schnell wird bei solchen Überlegungen klar, dass die Definition des Mindeststammkapitals willkürlich passiert und sich generell nicht evidenzbasiert erfolgt.
Wenn 10.000 Euro jetzt auf einmal für den Gläubigerschutz nicht ausreichend sind, sind es dann 35.000 Euro? Oder sollte das Mindeststammkapital nicht sinnvollerweise viel weiter erhöht werden? Oder geht es doch nur um die Mindest-KSt.? Wo liegt der optimale Wert?
Was müssen wir wissen, um die Frage nach der richtigen Höhe des Stammkapitals zu beantworten? Wohl welche Funktion das Stammkapital heute (nicht ursprünglich) bei Gründung erfüllt?
Die Antwort ist einfach: gar keine.
Wir brauchen kein Stammkapital, um ein Unternehmen zu gründen.
In der Wirtschaft agieren eigenverantwortlich Menschen (und Unternehmen) miteinander, die über die letzten hundert Jahre gelernt haben, Risiken einzuschätzen bzw. dieses Wissen in der Organisation weitervererbt haben. Diese Risiken werden durch viele Begleitmaßnahmen abgesichert: Haftungen der Geschäftsführung, Vorauszahlungen, Haftpflichtversicherungen, Bonitätsauskünfte, usw. Und generell ist die Verpflichtung zur doppelten Buchführung bei einer GmbH im Vergleich zur Schuhschachtel-Buchhaltung, wie sie viele Einnahmen-und-Ausgabenrechner noch praktizieren, eine wesentliche Ordnungsmaßnahme .
Für das Stammkapital wird in der Regel durch Arbeitseinkommen versteuertes Geld der Gründungsgesellschafter herangezogen. Dieses einbezahlte Stammkapital kann nicht einfach aus dem Unternehmen entnommen werden („Verbot der Einlagenrückgewähr“). Wenn das im Rahmen einer Gewinnausschüttung passiert, sind dafür 25% KESt. zu entrichten.
Das Stammkapital ist Ausdruck einer Bevormundung von Unternehmern, die nicht mehr zeitgemäß ist.
Deswegen schlagen wir (NEOS) vor, die GmbH light nicht nur beizubehalten, sondern die Entwicklung gleich abzuschließen, das Stammkapital bei Gründung auf 0,00 zu setzen und damit eine GmbH zero zu schaffen.
GmbH zero
Bei der GmbH light wurde immer wieder suggeriert, es handle sich um eine Option, die dann auch abwertende „Billig GmbH“ genannt wurde.[diePresse.com (20.1.2014)]
Diese Rechtsform ist keine zusätzliche Form der GmbH, sondern die GmbH. Dementsprechend ist auch GmbH zero nur als Titel für dieses Konzept zu verstehen. Die GmbH bleibt weiterhin „GmbH“ ohne Zusatz.
Die wesentlichen Änderungen bei der GmbH zero sind:

  • Bei Gründung ist kein Stammkapital notwendig.
  • Vom Gewinn werden so lange 25% zurückgelegt bis ein Stammkapital von 10.000 Euro (und eine Stammeinlage in mindestens dieser Höhe) erreicht ist.

That’s it.
Diese Erleichterung bei der Gründung einer GmbH soll nicht dazu führen, dass jeder gleich eine GmbH gründet. Das ist angesichts der höheren Betriebskosten auch gar nicht zu befürchten. Die Rechtsform sollte mit Bedacht gewählt werden und gerade für EPU erfüllt das einfache Einzelunternehmen die Erfordernisse des Geschäftslebens bestens.
Zusammengefasst spricht für den Erhalt der GmbH light bzw. die Weiterentwicklung zur GmbH zero:

  1. Rechtssicherheit: Diese wird zugunsten politisch gewollter Erfolge vor/nach einer Wahl aufs Spiel gesetzt
  2. Europäisches Umfeld mit vergleichbaren Bedingungen
  3. Scheinargument des Gläubigerschutzes: Diese beiden Dinge stehen in keinem belastbaren Verhältnis zueinander.

 
Zum Abschluss beantworte ich noch ein paar Fragen, die in der Debatte schon aufgetaucht sind:
Warum brauche ich dann überhaupt noch ein Stammkapital?
In der Tat ist in dieser Logik die Notwendigkeit für Stammkapital zu jedem Zeitpunkt zweifelhaft. Allerdings ist im Geiste der GmbH die Funktion des Stammkapitals zum Gläubigerschutz ja nicht völlig bedeutungslos. Deswegen ist eine Verpflichtung zur Rücklage eines Teils des Gewinnes in einem kleinen Ausmaß auch noch vorgesehen.
Und ja, die Größenordnung ist derzeit willkürlich, aber sie kann auch angepasst werden.
Ohne Stammkapital gibt es keinen Gläubigerschutz
Dieses oft gehörte Argument unterstellt, dass das Stammkapital diesen Gläubigerschutz bietet. Das ist in der Praxis nicht der Fall. Eine kleine GmbH mit ein paar Angestellten und Hausnummer 1 Million Euro Umsatz, die finanzielle Probleme bekommt, hat dementsprechend auch Ausgaben, die sich in einer Größenordnung von mindestens 1 Million Euro bewegen müssen. Ein voll einbezahltes Stammkapital, das natürlich längst ausgegeben wurde, bietet schon alleine auf Grund seiner geringen Höhe keinen Schutz.
Und noch immer kursiert in manchen Köpfen, die irrige Vorstellung, dass das Stammkapital in einem Tresor oder Sparbuch lagert und erst im Krisenfall herausgenommen wird. Das ist natürlich nicht so. Mit dem Geld wird gewirtschaftet.
Woher kommt (vor den ersten Umsätzen) das Geld, um die Rechnungen zu bezahlen?
Eine Liquiditätsplanung ist für jedes Unternehmen notwendig. Auch ohne Mindeststammkapital steht es den Gesellschaftern frei, ihr Unternehmen zu kapitalisieren. Sie können der GmbH ihr Geld als Darlehen geben. Da Gesellschafterdarlehen eigenkapitalersetzend sind, ist sogar eine dem Stammkapital analoge Schutzfunktion gegeben. Für die Gesellschafter hat das den Vorteil, dass sie das Geld vom Unternehmen auch zurückgezahlt bekommen können.
Warum brauchen wir jetzt eine GmbH zero?
Es gibt keinen Grund zur Eile. Die GmbH light war ausreichend. Doch die Regierung versucht diese rückgängig zu machen. Das ist Denkanstoß genug das Stammkapital an sich zu hinterfragen.
Jetzt gründen alle eine GmbH und gehen dann pleite.
Warum um Himmels Willen sollte irgendjemand das tun? Niemand gründet aus Jux und Tollerei ein Unternehmen. Die GmbH ist mit Gründungskosten verbunden und verpflichtet zur doppelten Buchführung. Es gibt keinen vernünftigen Grund, dass sich jemand das antut, ohne die Absicht zu haben ausreichend Umsatz zu machen. Und wenn die Person sich das leisten kann, sich eine GmbH als Status-Symbol zu leisten, dann ist das ihre Entscheidung. Damit verdienen Notare und Steuerberater. Geschädigt wird dadurch niemand.
Welche Sicherheiten gibt es dann noch?
Doppelte Buchführung, Haftpflichtversicherung, Geschäftsführerhaftung, Vorauszahlungen, Bonitätsauskünfte, u. v. m.
Sind Arbeitnehmer einer GmbH mit geringem (oder keinem) Stammkapital mehr gefährdet, ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder um ihre Löhne/Gehälter zu kommen?
Die Garantie, einen Arbeitsplatz zu erhalten, hat nichts mit der Rechtsform oder der Höhe eines Stammkapitals zu tun. Es gelten die gleichen arbeits- und involvenzrechtlichen Bedingungen. In der modernen Arbeitswelt, außerhalb der geschützten staatsnahen Organisationen und gerade bei kleineren Unternehmen, ist ohnehin allen (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) klar, dass sie auf die Leistung aller Beteiligten angewiesen sind, damit man im Geschäft bleibt.
 

9 Comments

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January 26, 2014 at 16:54

Interessanter Ansatz! Denk drüber nach.
Möchte bei den Kritikpunkten zu den derzeitigen Reparaturüberlegungen” noch einen Vorschlag hinzufügen:
Wenn die seit Sommer neu gegründeten “GmbH light” künftig einen Zusatz wie “gründungsprivilegiert” führen müssen, dann bin ich – wie schon auch anderswo von mir argumentiert – für den Aufbau einer breiten “Zusatznomenklatur”. Dann sollte folgerichtig bei jedem bäuerlichen Betrieb “subventionsgefördert” stehen, bei Konzernen “gruppensteuerbegünstigt” oder bei Notaren “wettbewerbsgeschützt”. – Aus welchen Schutzbedürfnissen immer auch. Fair wäre es jedenfalls. Und halt gar so wunderbar “österreicherisch”…

Nimbus59
January 26, 2014 at 20:04

Die eigentliche Chuzpe ist doch die bisherige Praxis des Abkassierens von “Mindest KöSt” , obwohl die GmbH vielleicht gar keine Gewinne macht, und man die Firma dadurch staatlich voll legitimiert auch noch weiter schwächt!
Dazu sollten die Neos politisch klar Stellung beziehen!

January 26, 2014 at 20:35

Ja, aber lieber Nimbus59. Genau zu dem Punkt nehmen wir ja klar Stellung. Wir bringen nächste Woche auch einen Antrag zur Abschaffung der Mindest-KSt. ein. Haben wir schon immer gefordert.

Dietmar Gombotz
January 27, 2014 at 09:53

Hallo lieber Niko,
Ich stimme in vielerlei Hinsicht zu, allerdings würde ich viele andere Punkte aufnehmen die so noch nicht in der Diskussion sind.
Die wichtigsten Punkte meiner Meinung nach sind: Abschaffung mindest-köst und Notariatsaktpflicht.
Wobei zweiteres geht mir nicht weit genug.
Für junge Start-Ups wie es in Wien derzeit eine wachsende Szene gibt:
Ich würde freiere Gestaltung von Geschäftsverträgen bzw. eine kleine AG statt der GmbH Light bevorzugen.
Grundeckpfeiler: Nachträgliches Vesting von Anteilen (geht bei gmbh nicht), Verschiebung von Unternehmensanteilen ohne Notar, Unterschiedliche Klassen von Shares, 35000 Stammkapital, keine Mindest-KöSt, kein Aufsichtsrat unter einer gewissen Größe (also mischung aus gmbh und AG) – anpassung der reporting richtlinien für AGs die nicht öffentlich notiert sind.
Damit wären österreichische Start-Ups im Hochtechnologiebereich breiter und besser aufgestellt für mögliche private equity finanzierungen.
Wir brauchen das allein wegen der restriktiven Finanzierungsvorgaben von Banken und weil ich der Meinung bin das Hochrisiko Geschäft nicht mit Fremdkapital zu machen ist.

Johann Moke
January 27, 2014 at 10:30

Der einzige Punkt, in dem ich Ihnen gerne widerspreche ist “Jetzt gründen alle eine GmbH und gehen dann pleite.”
Denn genau in diesem Punkt sieht man, wie kurzsichtig, vorwahlpopulistisch und undurchdacht diese Änderung war – auch wenn sie im Sinne von neuen Unternehmen sicher nicht schlecht ist.
Denn das öffnet leider auch “Schindluder” Tür und Tor, und das hätte man sich vorher überlegen können.
Ich kenne einige GmbH-Inhaber, die ihre gut gehenden GmbH sofort geändert haben, gerade weil das Stammkapital schon längst für den normalen Geschäftsbetrieb verwendet wurde.
Dazu kommen (gerade in der Bauwirtschaft) “Scheingeschäftsführer” mit Postanschrift Linker Flussarm 23, Donaudelta, die sich seit Jahren der SV- und USt-Haftung entziehen. Was aber völlig legal und auch egal ist, weil für den ermittelnden Beamten vor Ort eine kleine Zuwendung fürs “Nichtantreffen” mehr als ein halbes Monatsgehalt sein kann.
Ich möchte niemanden über einen Kamm scheren, aber wie bei sehr vielen Maßnahmen der “sozialen” Marktwirtschaft, haben die Gebildeteren, Klügeren, Schnelleren aber auch Hinterlistigeren sofort eine Vorteil daraus gezogen, während die “Normalen” durch die Finger schauen, weil man jetzt das Gesetz wieder zurücknehmen möchte…
Eine neuerliche, intellektuelle Bankrotterklärung unserer Regierenden.

January 29, 2014 at 11:36

In Italien wurde von Monti eine GmbH Light für junge Unternehmer bis 35 Jahren mit einem symbolischen Stammkapital von 1 Euro eingeführt.

Christian
November 11, 2014 at 04:53

Hallo,
ich glaube, dass die Herabsetzung des Stammkapitals nichts bringt.
Es wird dadurch nicht einfacher Unternehmen zu gründen.
Es wird einfacher, Unternehmen zu Gründen für die man “seinen Schädel nicht hinhalten muss”.
Auch jetzt kann ein Startup als Einzelunternehmen gegründet werden. Ist mir meine Idee zu riskant, mache ich eben eine GmbH und verliere 35.000,–. Die Idee muss mir also was wert sein.
Ein (nicht erfundenes) Beispiel:
Bei der GmbH-Zero mache ich mich morgen als EDV-Techniker selbstständig. Ich kenne die Kunden meines Chefs und biete denen einfach die Leistungen um 10 Euro billiger in der Stunde an. Hui das wir meinen Chef (selbst Unternehmer) schön ärgern.
Wenn kratzt es, wenn am Ende nichts funktioniert, was ich verkauft habe? Mich nicht, ich habe es ja “nur einmal” probiert. Ich bin dann außerdem draufgekommen, dass die Kalkulation meines Chefs doch nicht so absurd war.
Der Markt hat entschieden, keiner kauft meine “Nicht-Leistung” mehr und die anderen, die mir den Müll abgekauft haben? Die haben doch eh Geld und bleiben auf dem Schaden sitzen.
Kurz und gut sehe den Erfolg der GmbH-Zero der GmbH-light nicht. Die Wirtschaft braucht keine verantwortungslosen Unternehmer oder Abenteurer.
Der einzige Gewinner ist die Wirtschaftskammer: Sie kann sich über weitere – noch ärmere – zahlende Mitglieder freuen.
Bin gespannt auf eine hoffentlich interessante und fruchtbringende Diskussion… 🙂

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April 4, 2018 at 17:44

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April 12, 2018 at 07:56

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