Frecher Mario: Blasphemie ist gar nicht lustig

 
Der Freche Mario hat mich gebeten eine Grußadresse zur diesjährigen Preisverleihung zu formulieren. Aus der Zielsetzung dieses Kunstpreises:

Die diesjährigen Organisatoren des Kunstpreises „Der Freche Mario“ verstehen es als ihre Aufgabe, sich als humanistische Demokraten dafür einzusetzen, dass Meinungs-, Presse-, Kunst- und Religionsfreiheit keine hohlen Floskeln sind, sondern verteidigt gehören und nicht hoch genug geachtet werden können. Schließlich sind sie mühsam genug durchgesetzt worden, insbesondere gegen die Vertreter der monotheistischen Religionen.

 
Blasphemie ist gar nicht lustig 
Es gibt viele Menschen, die glauben mir mit Blasphemie eine Freude machen zu können. Die posten mir dann lustige Bilder an die Facebook Wall, tweeten mir einen Link oder mailen mir (mit stark abfallender Tendenz) irgendetwas Gotteslästerliches. Manchmal weisen sie mich auch stolz auf eine kleine Übertretung der Meinungsfreiheit ihrerseits hin oder binden mich in amüsante Korrespondenzen mit den Behörden ein, wenn es um Kirchenaustritt geht.
Diese Teilhabe freut mich und meistens muss ich auch tatsächlich lachen. Doch gewisse Leute kennen auch beim Humor keine Grenzen, vor allem nicht jene, die zwischen lustig und langweilig verläuft. Billige Witze werden nicht besser, wenn Jesus oder Schweinefleisch darin vorkommen.
Nach mehrjährigem Engagement für die Trennung von Staat und Religion wird die satirische Religionskritik für mich persönlich immer weniger spannend, wenn nicht sogar fast ein bisschen ermüdend. Das humoristische Potenzial von Mohammed-Karikaturen erschließt sich mir persönlich ebenso wenig, wie die dadurch ausgelöste Provokation. Ich würde viel lieber ein paar wirklich gute Atheisten-Witze hören.

Denn, und das ist jetzt nicht überraschend, Blasphemie ist für sich genommen gar nicht lustig. Blasphemie ist einfach freie Meinungsäußerung. Und das ist ein demokratisches Grundrecht. Wie wir wissen, ist die primäre Funktion der Demokratie eben nicht die Diktatur der Mehrheit zu gewährleisten, sondern im Interessensausgleich auch eine Schutzfunktion für Minderheiten. Gerade das Recht seine Meinung frei zu artikulieren, wird ja in jenen Situationen beansprucht, wo Widerspruch zu erwarten ist.
Für Trivialitäten („Ich warte doch lieber auf den nächsten Autobus.“) ließ sich die Meinungsfreiheit nicht verbriefen. Auch Aussagen wie „Der Bau von Atommülllagern birgt für Oberwesel hervorragende wirtschaftliche Chancen“ oder „Merkel und Gauck sind Ausdruck einer bigotten Pastoraldemokratie“ strapazieren die Meinungsfreiheit keinen Mikrometer. Selbst unverhohlene Angriffe auf religiöse Lehren „Das Spaghettimonster ist nichts weiter als das Ausscheidungsprodukt der galaktischen Peristaltik“, die dünnhäutigen Pastafaris beim Zwiebel Schneiden Tränen in die Augen treiben, sind durch dieses demokratische Grundrecht problemlos gedeckt, wenn es sich bei der herabgewürdigten religiösen Lehre um keine gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft handelt.
Hier wird nämlich in Österreich und Deutschland eine der wenigen Ausnahmen aus der Meinungsfreiheit gemacht. Diese Staaten kategorisieren Menschen nach ihrer Religion bzw. Weltanschauung in solche, die „gesetzlich anerkannt“ sind und solche, die es nicht sind. Neben einer Reihe anderer Sonderrechte kann auch die Beschränkung der Meinungsfreiheit von (in Österreich sind es 14) Kirchen und Religionsgesellschaften strafrechtlich in Anspruch genommen werden. Die besondere Schutzwürdigkeit gerade jener Religionen, die sich ohnehin schon im privilegierten Status eines synkretistischen Staatskirchensystems befinden, ist also auch insofern paradox als ja gerade kleine Bekenntnisgemeinschaften, die diesen Schutz wohl am ehesten benötigen würden, gar nicht als schützenswert erachtet werden. Die Rücksichtnahme auf religiöse Gefühle ist also für die Gesetzgeberin erst dann relevant, wenn eine gesetzliche Anerkennung erfolgt ist.
Unterstellen wir einmal – entgegen meiner Überzeugung –, dass es religiöse Gefühle gibt und diese besonders verletzlich sind. Bedarf ausgerechnet diese spirituelle Dimension einer staatlichen Billigung und Bevorzugung vor anderen menschlichen Emotionen? Natürlich nicht! Aber diese Frage ist nicht so rhetorisch, wie sie im ersten Augenblick scheint. Denn es geht bei der Blasphemie freilich nicht um die Sanktionierung der individuellen Beleidigtheit, sondern um die gesellschaftliche Durchsetzung von Sonderbehandlungen und in letzter Konsequenz um rechtliche Privilegien, wie klein auch immer sie sein mögen.
Blasphemie wird zur Rechtfertigung von Verhaltensweisen herangezogen, die auch sonst schwer rational zu erklären sind, wie zum Beispiel im Fall des sogenannten Mohammed-Videos, das im September zu Ausschreitungen im arabischen Raum führte. Aber Achtung! Diese bewusst gewählte Formulierung legt genau jene Kausalität nahe, die es natürlich gar nicht gibt. Selbstverständlich führte dieses Video nicht zu spontanen Angriffen mit Panzerfäusten auf US-Botschaften. Blasphemie wird als Grund vorgeschoben. Ähnlich schlimme Angriffe auf den Islam sind mit Sicherheit online zu Hunderten und Tausenden zu finden. Ein Video, das niemand an Leib und Leben schädigt oder gar bedroht, ist auch hier Teil einer Berichterstattung, die ernsthaft diskutiert, ob Blasphemie so weit gehen darf.
Ja, sie darf!
Anstatt den Blasphemie-Paragraphen in Deutschland (§166 StGB) und Österreich (§188 StGB) ersatzlos zu streichen, werden von Politikern Vorschläge gemacht ihn zu verschärfen. Wir müssen diese unselige Verkettung von Blasphemie und Gewalt als jene Scheinkausalität bloßstellen, die sie ist. Die satirische Verarbeitung der Rolle von mythologischen Figuren in der Realität ist ein angemessener Weg. Der Freche Mario ein wichtiger Wegbegleiter.
 
Dieser Text wurde ursprünglich veröffentlicht auf frechermario.org. Dort ist auch eine zweite Grußadresse von Gunkl zu finden.

 
 

6 Comments

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Andreas Ostheimer
December 2, 2012 at 11:58

1. Super Karikatur
2. Die Klorolle ist zu lang gezeichnet, da aus der Perspektive betrachtet *hehe*
3. Mir fehlt ein wenig das historische Verständnis. Die religiösen Gesetze kommen aus einer längst vergangenen Zeit, wo sich Menschen neben den staatlichen Gesetzen an die Kirchengesetze hielten. Die Kirche war – und ist immer noch – finanziell mächtig, daher sind diese sinnfreien Schutzgesetze – ebenso wie der Berufsschutz für Fotografen in Ö – ein Überbleibsel. Dieser Wurmfortsatz unserer Gesetzgebung wird fallen, denn die Kirche und ihre Macht ist ja wie unschwer zu erkennen ist, in der Auflösung. In Ö schwindet die Basis und irgendwann hoffentlich auch diese Gesetze. Dieses Glaubensvakuum wird in Ö vermutlich die einzig wahre Religion des Westens einnehmen: Das Geld.

Andreas Habicher
December 3, 2012 at 02:05

@Andreas O.: Es sei denn, wir machen vorher doch wieder mal einen Krieg. Dann kommt das Religiöse bestimmt wieder zurück.

renate abdul-hussain
January 15, 2013 at 21:34

an andreas ostheimer 2.12.2012: ich denke, da täuschen sie sich gewaltig. von auflösung ist keine spur, solange jeder steuerzahler über öffentliche zahlungen ohne gefragt zu werden, diesen verein unterstützt (vgl. “gottes werk und unser beitrag” kirchenfinanzierung in österreich.) die geldquelle sprudelt ja unabhängig von der mitgliederzahl weiter!!! informieren sie sich bei http://www.denkladen.de z.bsp “kriminalgeschichte des christentums”, “papstkirche ohne heiligenschein”. sie werden staunen, dass sie davon weder im geschichte- noch im religionsunterricht gehört haben!
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von selbst passiert nichts. und von machtverlust ist nichts zu bemerken. an zu vielen schalthebeln der macht sitzen sie -orf, universität – die katholische fakultät ist auch im alten universitätsgebäude räumlich die hervorragendste), in den printmedien (wieder mein verweis auf “gottes werk und unser beitrag”!!!),versteckt oder offen in der kinder- und jugendlichen”formung” um dann großzügig zu sagen: “alles freiwillig”
mein handfester beweis, dass die freiwilligkeit hiermit definitiv verunglimpft d.h. von der katholischen kirche blasphemisiert wird, wei folgt: jeder/e, der/die ein haus bauen will, weiß, dass es weniger aufwand bedeutet auf ein leeres grundstück zu bauen, als alte (“gedanken”) gebäude abreissen zu müssen.
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danke an alle, die sich jetzt schon oder demnächst mit behördlichem ausweis (volksbegehren gegen kirchenprivilegien!!!!) für die demokratischen grundrechte einsetzen. nur mut – nicht einschüchtern lassen!!! gegen eventuellen widerstand rüsten und weitermachen (oder sich lieber von einer undurchsichtigen, historisch extrem gewaltbereiten organisation auslachen lassen?)
zum thema katholische kirche nichts zu sagen, bedeutet tatsächlich ausgelacht zu werden. die schlechten ergebnisse bei den “pisa”studien sind möglicherweise das abbild dessen, dass sich so viele junge menschen “freiwillig” einen floh ins ohr setzen lassen “müssen”!
was jeder einzelne glaubt, hat nichts mit dem Kreuz zu tun. ausserdem ist es natürlich notwendig, dass sich ein verein, der in den oversten hierarchieebenen soviel zu verstecken hat, vor einer überprüfung auf “sektenmerkmale” sowie gegen verunglimpfung schützen muss – sonst bestünde öffentlicher erklärungsbedarf.
wer niemals versucht hat, sich sich für oder gegen bestimmten themen einzusetzen, hat gar keine ahnung, wie schwierig und mühsam das tatsächlich auch in unserem freien land ist. ausserdem weiss man erst dann, welche anschauungen in anderen köpfen existieren.
ich habe noch größeren respekt vor menschen, die unter lebensgefahr (in anderen ländern) für ihre menschenrechte kämpfen!
MEINE RÄTSELFRAGE ZU DEN WERTPAPIEREN:
sehr clever, dieser verein. hat doch tatsächlich wertpapiere verkauft – billig in der herstellung (ein stück papier), ohne realen gegenwert und damit ordentlich geld verdient, weil seinerzeit praktisch jeder darauf reingefallen ist und sich nicht getraut hat, etwas dagegen zu sagen (das passierte in einer dunklen zeit). worum handelt es sich?
um aktuelle börsengeschäfte ( sogenannte leergeschäfte)?
auch.
wertloses papier verkaufen, das geht: ja, die katholische kirche hat die leute für so dumm verkauft, dass jesus sofort aus dieser kirche ausgetreten wäre (sofern es ihn historisch tatsächlich gegeben hat):
ablasshandel! (nachzulesen in: “kriminalgeschichte des christentums”).
an alle juristen: es gab und gibt ja kein gebot: du sollst unter der hälfte des wahren wertes verkaufen.
da fällt mir noch ein: wäre das konkordat nicht juristischerweise als “sittenwidrig” zu bewerten? und zwar an jenen stellen, die immer eine nachverhandlung offen halten, damit die katholische kirche “bei einer änderung der lage” aus dem staat noch mehr geld herauspressen kann, etc.

renate abdul-hussain
January 15, 2013 at 21:39

sorry, das sollte heißen: du sollst n i c h t unter der hälfte des wahren wertes verkaufen.

March 8, 2013 at 09:41

Lese hier grad zum ersten mal, Niko. Erstmal: Daumen hoch was dein Führerscheinfoto betrifft!
Ich stimme mit dir überein; ich finde auch wir brauchen Wörter wie Blasphemie gar nicht. Was kann ich konkret tun um für die Meinungsfreiheit einzustehen?

Niko Alm » Newsletter Nr. 16 – Böhmermann, die Meinungsfreiheit und der ORF
May 11, 2019 at 16:27

[…] dazu: Vor ein paar Jahre durfte ich mir in meiner Grußadresse „Blasphemie ist gar nicht lustig“ zum Kunstpreispreis Frecher Mario ein paar Gedanken zum Thema Meinungsfreiheit und […]

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