Nationalrat, XXV. GP
9. November 2016
150. Sitzung
Abgeordneter Mag. Nikolaus Alm (NEOS)
Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! „Der Kühlschrank ist leer, das Sparschwein auch, ich habe seit Wochen kein Schnitzel mehr im Bauch.“ – Besser als Thomas Spitzer das schreibt, kann es nur Klaus Eberhartinger vortragen, und diese berührenden Worte erinnern mich immer an die jüngere Geschäftsführung des Burgtheaters – minus das Schnitzel natürlich.
Die Aufarbeitung dieses Fleisch gewordenen Bankomaten aka Burgtheater setzt mit dem Rechnungshofbericht der Geschäftsjahre 2008/2009 an, aber eigentlich müsste die Aufarbeitung der Frage nach der Verantwortung schon früher beginnen.
Der Rechnungshof sieht neben dem künstlerischen Leiter und einem inaktiven Aufsichtsrat die kaufmännische Geschäftsführerin als Hauptverantwortliche für die eigentliche Misere. Die Namen sind in diesem Zusammenhang eigentlich irrelevant. Der Rechnungshof bescheinigt der kaufmännischen Leiterin eine Nichteignung als Geschäftsführerin. Wie kommt es also dazu, dass diese Frau in dieser Position landet? – Für die Suche nach einem Nachfolger des kaufmännischen Geschäftsführers wurde eine Personalberatungsfirma beauftragt, und diese reihte auf Platz 1 und Platz 2 jeweils externe Berater. Die spätere kaufmännische Leiterin oder Geschäftsführerin wurde auf Platz 3 gereiht, mit dem Zusatz: wird nur eine Zwischenlösung sein können.
Der Auftraggeber hat sich danach bemüht, eine Umreihung oder eine Vorreihung auf Platz 2b vorzunehmen, das heißt also, nach den Plätzen 1 und 2a kommt Platz 2b, das war nominell sozusagen der zweite Platz. Das hat im Zusammenspiel mit dem Argument, dass die Dame als einzige Bewerberin mit dem österreichischen Arbeitsrecht zu tun hatte, gereicht, um sie sozusagen in diesen Job zu hieven.
Dieses ausschlaggebende Kriterium, mit dem österreichischen Arbeitsrecht vertraut zu sein, ist aber erst nachträglich in die Ausschreibung reingekommen und hinzugefügt worden, erst, als es eigentlich ausschlaggebend wurde und zu dieser Entscheidung geführt hat. Warum wird so etwas gemacht? Das ist die Frage. Warum werden diese Kriterien kurz vor Schluss geändert? Dieser Frage geht auch die Korruptionsstaatsanwaltschaft zurzeit nach. Die Folgen sind bekannt, und sie sind gravierend. Wir haben das ja oft gehört, ich habe mich erst in jüngster Zeit damit befassen müssen.
Mich machen diese Dinge, die passiert sind, sprachlos. Ich wiederhole ein paar Dinge aus einer ganz langen Liste:
Das Fremdkapital stieg ab 2007/2008 in den folgenden vier Jahren von 11 Millionen € auf 30 Millionen €. Das Eigenkapital ist in dieser Zeit von 15 Millionen € auf 10 Millionen € gesunken. Alleine im Geschäftsjahr 2009/2010 überschritt das Burgtheater sein Budget um 91,5 Prozent. Mit dieser Überschreitung hat sich der Aufsichtsrat aber erst 2013 beschäftigt.
Ich war selbst die letzten 15 Jahre in mehreren Geschäftsführungen tätig. Ich habe zuletzt auch mein Unternehmen verkauft. (Abg.Rädler:Erfolgreich?) – Bitte?(Abg. Rädler:Erfolgreich?) – Ich habe es erfolgreich geführt und erfolgreich verkauft. Danke der Nachfrage, Herr Kollege Rädler! (Zwischenruf des Abg. Loacker.Das Unternehmen gibt es noch, es hat 140 Mitarbeiter, denen geht es gut, wir zahlen alle brav Steuern und Sozialversicherung. Wenn ich aber das gemacht hätte, was die Geschäftsführung des Burgtheaters gemacht hat, hätten mich die neuen Eigentümer sofort gefeuert.
Weiter geht es: Der Aufsichtsrat prüfte auffällige Abweichungen nicht nur nicht zeitgerecht, er hat sich auch mit unvollständigen Revisionsberichten zufrieden gegeben, in denen zum Beispiel nur zwischen 10 und 20 Prozent der Investitionen dargestellt wurden.
Zu unterjährig aufgetretenen Planabweichungen der Liquidität von bis zu 1,3 Millionen € gab es keine Nachfragen. Ich bin mittlerweile selbst auch im Aufsichtsrat einer kleinen AG. Wir treffen uns jedes Quartal. Wir besprechen detailliert mit dem Vorstand durch, welche Zahlen jedes Quartal auf dem Tisch liegen. Im echten Leben ist undenkbar, was da im Burgtheater geschehen ist.
Insgesamt hat das Burgtheater über 21 Millionen € in Form von Akontos an Beschäftigte ausgezahlt. Für 80 Prozent dieser Buchungen gab es keine Belege. Können Sie sich das vorstellen? Keine Belege! Honorare wurden ohne Vorlage einer Honorarnote ausgezahlt. Insgesamt wurden in den Geschäftsjahren 2008/2009 bis 2013/2014 insgesamt circa 13 Millionen € ohne nachvollziehbare Belege bar ausgezahlt – das führte auch dazu, dass keine Abgrenzungen am Jahresende gemacht wurden –, auf Basis mündlicher Verträge.
Haben Sie – diejenigen, die ein Unternehmen führen – schon jemals eine GPLA gehabt? Es wird immer etwas gefunden, Sie müssen um jede Honorarnote von jedem Freelancer streiten. Sie haben definitiv eine Nachzahlung. Das Burgtheater wurde in dieser Zeit einmal geprüft – das war, glaube ich, keine GPLA, sondern eine Steuerprüfung – und hatte ein paar Tausend Euro Nachzahlung. Es hatte bei diesen Millionenbeträgen ein paar Tausend Euro Nachzahlung!
Der künstlerische Leiter hat sich seine Autorentätigkeit und seine Regiearbeiten als selbständige Tätigkeit mit über 110 000 € zusätzlich zur Gage bezahlen lassen, obwohl er für die gleichen Tätigkeiten auch ein Gehalt bekommen hat. Zusätzlich ist diese Gage, glaube ich, über 30 Prozent erhöht worden, während der Verbraucherpreisindex in dieser Zeit um 6 Prozent gestiegen ist.
Die Vergabe von Dienstkarten an Betriebsräte war exzessiv. Im Prüfungszeitraum wurden von der Burgtheater GmbH insgesamt 41 000 Karten mit einem Wert von 1,5 Millionen € an den Betriebsrat abgegeben, und das ist nur der Face Value dieser Karten. Wenn man nämlich einrechnet, dass das Burgtheater zu 85 Prozent gefördert ist, heißt das, dass diese Karten eigentlich einen Wert von 10 Millionen € hatten. Dieser Bezug geldwerter Leistungen beziehungsweise von Vorteilen aus Dienstverhältnissen ist, glaube ich, auch nicht versteuert worden, abgesehen davon, dass natürlich diese Bezuschussung über die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler erfolgt ist.
Die frühere kaufmännische Geschäftsführerin hat sich auch unter Missachtung des Vieraugenprinzips im August 2008 zusätzlich 9 000 € oder ein bisschen mehr für nicht konsumierte Freizeit, wie es heißt, ausgezahlt, ohne dass es dafür eine rechtliche Berechtigung gäbe.
An dieser Stelle braucht mir niemand mehr mit dem Vergleich der armen Supermarktkassiererin zu kommen. Das ist Umverteilung von unten nach oben, was da stattfindet!
Wenn Minister Drozda dann meint, das Burgtheater sei das bestgeprüfte Haus gewesen, dann darf ich auf eine weitere Erkenntnis des Rechnungshofs hinweisen: Es fanden ja wie gesetzlich vorgeschrieben regelmäßig Jahresabschlussprüfungen statt, deren Aufgabe es war, Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Diese Überprüfungen haben aber weder die falschen Darstellungen in den Jahresabschlüssen noch das fehlende interne Kontrollsystem oder andere der geschilderten Fehlentwicklungen moniert, sondern festgehalten, dass „alle Abläufe und Kontrollen ordnungsgemäß eingehalten wurden und wirksam waren; die Grundsätze der Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit wurden in allen Bereichen eingehalten.“ Wie Minister Drozda solche fehlerhaften Prüfungen als Referenz heranziehen kann, ist schwer verständlich.
Diese Liste ließe sich wirklich noch sehr, sehr lange erweitern. Es war ein langer Termin mit Vertretern des Rechnungshofes, den ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen hatte. Abschließend sei noch ergänzt, dass es Empfehlungen gab, die zu einem großen Teil tatsächlich auch umgesetzt wurden. Das ist positiv festzuhalten. Es wurde aber nicht alles umgesetzt, man hält immer noch an der Auszahlung von Bargeldbeträgen fest. Das ist mittlerweile um 80 Prozent zurückgegangen, trotzdem wird noch eine Viertelmillion Euro in bar ausgezahlt. Die Frage ist, wie das zu rechtfertigen ist.
Das Burgtheater gibt an, dass die Ausgabe von Dienstkarten – Sie erinnern sich, über den Betriebsrat, 41 000 waren es, die da ausgegeben wurden – neu geregelt werden soll. Warum das so lange dauert, kann auch niemand erklären.
Kollege Zinggl hat erwähnt, dass es über ein Jahr dauert, eine Compliance-Richtlinie zu erstellen. Das ist lächerlich, das ist keine Raketenwissenschaft. Das liegt in vielen, vielen Bereichen vor. Das kann man einfach kopieren, das kann man anpassen. Das dauert vielleicht nicht nur einen Tag, aber sagen wir von mir aus einmal, es dauert eine Woche, wenn noch jemand Korrektur liest.
Das Burgtheater mag zwar das bestgeprüfte Haus sein, und ich weiß nicht, was Malversation heißt, aber ich will zum Schluss noch einen großen Philosophen zitieren: Auch wenn man einen Saustall prüft, heißt das noch lange nicht, dass der Dreck auch ausgemistet wurde. – Ich glaube, es war Parmenides. (Beifall bei den NEOS.)
Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schenk. – Bitte.